Was Naturfilmer
erleben...

Prof. Dr. Ernst Waldemar Bauer
Prof. Dr. Ernst Waldemar Bauer

1. Woran arbeiten Sie gerade? / Ihr letztes Projekt?
Momentan arbeiten wir für NDR Naturfilm an einem Film (45 min.) über Spatzen in Berlin. Davor haben wir für das ZDF einen Film über den Beutelwolf auf Tasmanien gedreht. Diese Dokumentation befindet sich gerade in der Postproduktion.


2. Ihr schönstes/ traurigstes/aufregendstes/gefährlichstes Erlebnis bei einer Filmproduktion?

Thoralf Grospitz:
Mein gefährlichstes Erlebnis hatte ich vor einigen Jahren bei einem  Dreh auf Sri Lanka: Wir filmten Elefanten und mussten auch Töne einfangen. Ich saß hinten auf der offenen Ladefläche unseres recht altersschwachen Landrovers. Wir hielten nahe einer friedlich grasenden Elefantengruppe an und stellten den Motor ab. Ich richtete das Mikrofon aus und begann mit der Aufnahme, alles lief normal. Urplötzlich wurden die Elefanten unruhig und stürmten, allen voran eine hoch trächtige Elefantenkuh, auf unseren Wagen zu. Verzweifelt versuchte unser Fahrer das marode Gefährt zu starten, was ihm allerdings nicht gelang. Ich hielt der trächtigen Kuh unser wuscheliges Mikrofon entgegen, während vorne einige Jungbullen mit den Rüsseln die Scheibenwischer entfernten und den Kotflügel eintraten.

Mir lief der Angstschweiß von der Stirn; immerhin hätte die Elefantenkuh mich auch einfach von der Ladefläche wischen können. Warum auch immer, sie tat es nicht. Es endete damit, dass im Wagen alle wie angestochen schrien, die Elefanten wild trompeteten, der Landrover irgendwann doch ansprang und wir von den Elefanten verfolgt davonfuhren. Glück gehabt.

Jens Westphalen:
Diese Frage ist für mich kaum zu beantworten. Schönste Erlebnisse gibt es bei jeder Produktion. Besonders traurig fand ich beispielsweise, als wir mit ansehen mussten, wie an einem Strand in Costa Rica abertausende frisch geschlüpfter Schildkröten an einem Tag Opfer von heißem Sand und sengender Sonne, Geiern und Fregattvögeln wurden. Nur ein Bruchteil der Schlüpflinge schaffte die kurze Strecke ins Meer, wo natürlich auch Fressfeinde und andere Gefahren lauerten. Besonders schön war es dann aber auch zu sehen, dass trotzdem Tausende von erwachsenen Schildkrötenweibchen den Weg zurück schafften und zeitgleich aus dem Meer kamen, um ihre Eier im Sand zu verscharren. Die Verluste an Jungschildkröten sind also von der Natur eingeplant und dieses System funktioniert so seit Jahrmillionen – sehr faszinierend!


3. Wie sind Sie zum Naturfilm gekommen?

Thoralf Grospitz:
Zunächst beschäftigte ich mich mit Fotografie: Als Jugendlicher begann ich Portrait- und Landschaftsaufnahmen zu machen. Später arbeitete ich einige Jahre als Pressefotograf. Während meines Biologiestudiums drehte ich dann erste Videofilme, teilweise auch schon als Auftragsarbeiten. Dabei begeisterte mich das Medium Film, weil es dynamischer war und breitere Ausdrucksmöglichkeiten bot als die Fotografie. Inspiration und Anregungen fand ich besonders im deutschen Tierfilm. Als ich gegen Ende des Studiums Jens Westphalen kennen lernte, der diese Vorlieben teilte, war schnell klar, dass wir versuchen wollten, gemeinsam Tierfilme zu drehen.

Jens Westphalen:
Seit meiner Kindheit wollte ich Tierfilmer werden. Die Filmemacher waren aber stets weit entfernte Idole. So „begnügte“ ich mich mit Naturfotografie. Während meines Biologiestudiums hatte ich dann die Möglichkeit einem Tierfilmer über die Schulter zu schauen. Ich stellte fest, dass auch hier nur mit Wasser gekocht wird und viele Naturfilmer Autodidakten sind, die meist aus „grünen“ Berufen kommen. Das machte mir Mut. Als ich dann auf einer Exkursion Thoralf Grospitz kennen lernte, der gleiche Ambitionen besaß, war der Entschluss schnell gefasst, es gemeinsam zu versuchen. Mit einer aus zweiter Hand gekauften 16-mm-Basis-Ausrüstung drehten wir noch während des Studiums unseren ersten Beitrag für den NDR. Das war der Einstieg.


4. Wie sehen Sie die Zukunft des Naturfilms?

Thoralf Grospitz:
Seit einigen Jahren hat der deutsche Tierfilm seine beschauliche Nische verlassen. Er konkurriert mit Spielfilmen und Unterhaltungssendungen um die besten Einschaltquoten. Er wird an seinem Unterhaltungswert gemessen und entwickelt sich immer mehr vom reinen Dokumentarfilm zum „Dokutainment“ oder „Dokudrama“. Das verändert unseren Job radikal. Wir können nicht mehr einfach rausgehen und in der Natur filmen, was uns vor die Linse kommt.
Stattdessen wird es immer wichtiger, planvoll vorzugehen und ein Drehbuch mit einer guten Geschichte umzusetzen. Dem gestiegenen Produktionsaufwand stehen allerdings nicht immer entsprechende Etats gegenüber. Die Auftraggeber sollten sich daher mehr als bisher um Koproduktionspartner, internationale Vermarktung u.ä. kümmern, um Anspruch und Wirklichkeit bei der Naturfilmproduktion nicht zu weit auseinander klaffen zu lassen. Wünschenswert ist auch, dass die deutschen Sendeanstalten auf dem internationalen Markt selbstbewusster auftreten und sich um eine aktive Rolle bemühen, denn sie haben hervorragende Produkte.


Persönlich wünsche ich mir für unsere Filme immer höchste Einschaltquoten. Ihr wisst schon warum.


Jens Westphalen:
Umfragen zeigen, dass sich Fernsehzuschauer Naturfilme wünschen. Und in Deutschland gibt es hervorragende Filmemacher. Daher sehe ich die Zukunft positiv. Allerdings sind die Ansprüche an Geschichten und Bilder durch aufwendig produzierte Dokumentationen aus dem Ausland sehr gestiegen. An diesen Hochglanzfilmen werden deutsche Filmer stets gemessen. Die Schere zwischen der Erwartungshaltung (von Zuschauern, wie Sendeanstalten) an Naturfilme und den finanziellen Möglichkeiten der Filmemacher klafft oft weit auseinander. Wohl jeder Naturfilmer hat auch ideelle Motive, Tiere zu drehen, aber er muss auch seinen Lebensunterhalt davon bestreiten – und das wird meines Erachtens schwieriger. Glücklicherweise gelingt es manchen Sendeanstalten inzwischen Koproduktionen mit ausländischen Anstalten oder Produktionsfirmen einzugehen, bzw. ihre Filme international zu vermarkten. Dadurch verbessern sich die Etats und damit auch die Möglichkeiten der Filmemacher – ein Schritt in die richtige Richtung.

Karlheinz Baumann
Kurt Beuret
Thoralf Grospitz
Jens Westphalen
Christian Roth
Jan Haft
Susanne Hoffmann
Andreas Kieling
Dr. Rudolf Lammers
Uwe Müller
Dr. Ernst Sasse
Klaus Scheurich
Annette Scheurich
Jürgen Stahf
Vera Stahf-Nurk
Malte Stoeck

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Thoralf Grospitz und Jens Westphalen aus Hamburg arbeiten seit fast 10 Jahren zusammen. Sie sind ein festes Team. Bei der NATURALE 1999 erhielten sie den Sonderpreis des Ministerpräsidenten für “Invasion aus dem Meer“(arte/NDR).